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Die Verbreitung


Vor knapp 100 Jahren trat der Münchner Gerstensaft seinen Siegeszug um die Welt an. Seit jener Zeit gilt das Münchner Bier weltweit als eine Delikatesse, die durchaus dem Champagner und dem Chiantiwein Italiens das Wasser reichen kann. Man hatte zwar schon zuvor bis nach New York exportiert, 1896 aber ging das Bier erstmals an die Westküste der USA, ja sogar in das Innere Afrikas. Überall herrschte helle Freude über den dunklen Trunk aus der Bayernmetroploe, die sich dank ihres Bieres allmählich zu den bekanntesten Städten auf der Erde entwickelte. Die Loblieder auf den Gerstensaft reichen von den Siedlern in Südwestafrika des Jahres 1896 über Lenin und Kaiserin Elisabeth (Sissi) bis zu den Amerikanern Thomas Wolfe und Leonard Bernstein.

Neujahr 1896; in der Pschorrbrauerei, die gerade an der Neuhauser Straße ihr Stammhaus zu den berühmten Pschorr-Bierhallen mit 2000 Plätzen umbaut, startet man ein ungewöhnliches Unternehmen. Die Vorbereitungen gelten einem Eisenbahnwaggon mit Bier, der für eine rund 15 000 Kilometer lange Reise fertig gemacht wird. Ziel ist San Francisco. Bis New York gibt es keine Schwierigkeiten, denn dort hat seit Jahren die US Branch of Pschorrbräu München ihren Sitz. Danach aber beginnt das Abenteuer. Das Bier muss in den Wilden Westen. Daheim sind die unglaublichen Geschichten bekannt, die den reisenden auf dieser Route passieren können. Doch über der Münchner Eisenbahn-Lieferung braut sich auf dem weiten Weg durch die Prärie kein von Banditen angezetteltes Unheil zusammen. Mitte März 1896 hat sie San Francisco erreicht. Stolz verkündet Pschorr in seiner Heimatstadt: Es war das erste Münchner Fassbier, das den ganzen nordamerikanischen Kontinent durchkreuzte."

Aber nicht nur Pschorr liefert ein hervorragendes Getränk. Die Spatenbrauerei, deren Getränke besonders Karl May lobt, festigt ihren Platz in London und schenkt ebenfalls 1896 im eben eröffneten Spaten-Beer-Restaurant am Piccadilly Circus, in drei weiteren Londoner Gaststätten und in Manchester ihr Dunkles und zusätzlich ihr berühmtes helles Versandbier - damals eine Münchner Novität - aus. Wie es heißt, macht Spaten auch einen Stich im Buckingham-Palace, wo die Hoheiten regelmäßig das Münchner Erzeugnis trinken.

Vom Sommer 1896 an sendet das bügerliche Brauhaus Münchner Bier direkt in den Königspalast von Kopenhagen. Der 78jährige Christian IX. von Dänemark erkrankt in diesem Jahr so sehr, dass der Leibarzt als letztes Mittel Münchner Bier anordnet. So erhält Ende Juli die Brauerei einen werbeträchtigen Dauerauftrag. Tatsächlich trinkt der König täglich sein Münchner Bier, wird wieder gesund und lebt noch bis zu seinem 89. Lebensjahr.

Freilich, dass Bier Medizin sein kann, ist gar nicht so neu. Die heilende Kraft erwähnt auch Georg Friedrich Knapp, der Neffe Liebigs und Schwiegervater von Theodor Heuss. Er erzählt von einem todkranken Münchner, dass er nach völlig aufgegebener Hoffnung nur noch verlangt habe, nach Kräften Bier zu trinken. Knapp: "Und gerade dieser wurde wieder gesund."

Die meisten Abenteuer aber macht das Bier aus München beim rund 10.000 Kilometer langen Transport nach Windhuk mit. In der Hauptstadt des Schutzgebiets Deutsch-Südwestafrika mit einer Höhe von knapp 1700 Metren kommt man 1896 auf die Idee, Münchner Starkbier (Salvator) zu bestellen. Der Zacherlbräu geht das Risiko ein und sendet sein kostbares Nass in Fässern per Eisenbahn an einen Mittelmeerhafen. Nachdem das Bier in einem uns unbekannten Hafen gelöscht worden war, steht ein Ochsenwagen bereit, der über holprige und gefährliche Pfade in sechs Wochen das Ziel Windhuk erreicht. In ganz tadellosem Zustand oben in Windhoek eingetroffen, schreiben die fernen Trinker im August 1896 an den Zacherlbräu nach München. Zum bekanntesten Münchner Bier entwickelt sich das aus dem Königlichen Hofbräuhaus. Und es legt ebenfalls 1896 den Grundstein zu seinem weltbekannten Image. Die Brauerei wird nämlich wegen der beengten Verhältnisse der Innenstadt an die Wiener Straße verlegt. Bereits im August 1896 beginnen die Brauer dort mit dem Einsieden.

Das Stammhaus am Platzl wird inzwischen umgebaut. Kaiserin Elisabeth schaut sich die Baustelle im Sommer 1896 an. In der Zeitung ist zu lesen: "Der Kardinalpunkt des Umbaues liegt in der Umwandlung der vormaligen Sudhauslokalitäten in Gastlokalitäten." Nach der Einweihung wird das Hofbräuhaus, so wie es heute die ganze Welt kennt, zum zweiten Wahrzeichen Münchens. Sein Bier kredenzen die Lakaien an den Kaiserhöfen in Wien und Berlin. Selten verlässt Kaiser Wilhelm II. die Isarstadt ohne Hofbräufässer im Gepäck. 1896 schenkt ein Wissenschaftler der Welt endlich auch reinen Wein über den Namen Bayern ein. In der Universitätsbibliothek München trifft nämlich der Aufsatz Germanische Völkernamen des Etymologen Rudolf Munch ein. Nach ihm heißt Bayern nichts anderes als zechlustiges Geschlecht, das Gerstenland bewohnt.