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Mittelalter


Bier gleich Frauensache. Das änderte sich erst kurz vor der Jahrtausendwende, als man begann sich in Klöstern, welche seit der Verbreitung in Europa zahlreich entstanden, mit der Braukunst zu beschäftigen. Als Karl der Große im Jahre 800 n. Chr. Deutscher Kaiser wurde, gab es alleine in Bayern 300 Klöster, von denen einige schon seit 150 Jahren Bier brauten. Der Grund, warum Mönche sich intensiv dem Bierbrauen gewidmet haben, liegt darin, dass man ein nahrhaftes und wohlschmeckendes Getränk zu den Mahlzeiten suchte, die vor allem in der Fastenzeit ziemlich karg waren. Es galt Liquida non frangunt ieunum - Flüssiges bricht das Fasten nicht. Also war Bier immer erlaubt. Der Bierverbrauch in den Klöstern nahm, wohl aufgrund der körperlichen Beanspruchung durch die Klosterarbeit und die umfangreichen Exerzitien recht erstaunliche Ausmaße an: Immerhin berichten die Chronisten, dass es jedem Mönch erlaubt war 5 Liter Bier am Tag zu sich zu nehmen. Die Mönche jener Zeit waren also dem Bier sehr zugetan, doch schon nach kurzer Zeit fingen sie an, das Bier nicht nur für den eigenen Bedarf zu brauen. Gegen eine Gebühr erhielten die Mönche das Recht, Bier gewerblich zu vertreiben und somit entwickelten sich viele Klöster zu gut geführten Wirtschaftsbetrieben. In sogenannten Klosterschenken wurde das Bier ausgeschenkt. Da die Klöster die Bierbrauerei sehr vorantrieben, waren die Biere entsprechend gut und beliebt. Dabei entwickelten sich einige Mönche zu anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet des Brauens. Im Jahre 1040 wurde dem bayrischen Kloster Weihenstephan vom Freisinger Bischof das Brau- und Schankrecht verliehen. Weihenstephan ist heute die älteste heute noch bestehende Brauerei. Doch bleiben wir kurz in den Klostermauern. Nicht nur Mönche beschäftigten sich mit Bier, auch eine berühmte Nonne - Hildegard von Bingen (1098-1179) schrieb mehrfach in Ihrem Werk causa et cura (Ursache und Heilung (von Krankheiten)): Cervisiam bibat - Man trinke Bier. Sie empfahl Bier vor allem schwermütigen Menschen, weil Bier den Mut hebt und die Regeneration der Seelenkräfte fördert. Zurück zum weltlichen Geschehen: In den aufblühenden Städten des Mittelalters wollte man nicht auf Bier verzichten, mit der Folge, dass sich auch dort die Braukunst durchsetzte und zu einem Handwerkszweig entwickelte. Die Landesfürsten führten Biersteuern ein, die für eine schnelle Füllung ihrer Kassen sorgten. Die Klosterschenken, die keine Steuern zu zahlen brauchten, beeinträchtigten diese Einnahmequelle und viele von ihnen wurden von den jeweiligen Landesfürsten kurzerhand zugemacht.

Auch wenn viele Klosterbrauereien per landesfürstlichem Beschluss dicht gemacht wurden, ist es ein wesentlicher Verdienst der Mönche, sich als erste wissenschaftlich mit dem Bier auseinandergesetzt zu haben. So soll zum Beispiel in Brabanter Klöstern erstmalig Hopfen, das dem Bier seine Würze und natürliche Haltbarkeit gibt, benutzt worden sein. Entsprechend lässt sich auch die Legende erklären, die dem Brabanter König Gambrinus fälschlicherweise die Erfindung des Bieres zuschreibt - er wird noch heute als Schutzpatron der Brauer verehrt. Die Verwendung von Hopfen für die Herstellung von Bier löste heftigen Streit aus, um das sogenannte Grutrecht. Ein König erfindet das Bier "Im Leben ward ich Gambrinus genannt, König zu Flandern und Brabant. Ich hab aus Gersten Malz gemacht und das Bierbrauen zuerst erdacht. Drum können die Brauer sagen, dass sie einen König zum Meister haben. Die Grut war ein Gemisch aus allerlei Kräutern, die zum Würzen des Bieres verwendet wurden. Das sogenannte Grutrecht, welches einer Brauerei die Herstellung von Grut erlaubte, war die rechtliche Basis jeder Brauerei und sicherte den Braumeistern eine "Monopol"-Stellung. Durch die Verwendung von Hopfen wäre kein Grut mehr notwendig gewesen. Aus diesem Grund wurde die Verwendung von Hopfen für die Herstellung von Bier erst einmal schlicht und ergreifend verboten. Alles Neue braucht eben seine Zeit. In die Grut wanderten unter anderem: Wacholder, Gagel, Schlehe, Eichenrinde, Wermut, Kümmel, Anis, Lorbeer, Schafgarbe, Stechapfel, Enzian, Rosmarin, Rainfarn, Johanniskraut, Fichtenspäne, Kiefernwurzel - vor allem aber auch Bilsenkraut. Manche Kräuter waren ausgesprochen giftig, andere erzeugten Halluzinationen beim späteren Biertrinker. Aus dem Bilsenkraut beispielsweise entwickeln sich, wie wir heute wissen, halluzinogene Alkaloide während des Brauprozesses. Dies dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass der Aberglaube eine große Rolle rund um den Braukessel spielte. Opfer dieses Aberglaubens waren vor allem die sogenannten Bierhexen.

Das "Anstoßen" wurde, einem Gerücht zu Folge, als Vertrauensbeweis im Mittelalter zur gängigen Tischsitte. In dieser Zeit war es durchaus üblich den ein oder anderen Zeitgenossen mittels einer Prise Gift vom Diesseits ins Jenseits zu befördern. Um nun in gemütlicher Runde sicher sein zu können, dass keiner der Anwesenden ein derart heimtückisches Attentat geplant hatte, stieß man mit den massiven Krügen so heftig an, dass das Bier überschwappte - in den Krug des Gegenübers wohlgemerkt. Wollte ein Attentäter oder Auftraggeber also die Gefahr meiden selbst ein Portiönchen des verabreichten Mittelchens zu schlucken, durfte er nicht anstoßen. Wer nicht anstieß war also verdächtig! Im Umkehrschluss heißt das: Traue nur denen, mit denen Du zum Biere gesessen und angestoßen hast. Heute sollte man die zünftig mittelalterliche Art des Anstoßens nur mit massiven Zinnbechern oder Holzkrügen praktizieren, wenn man Bruch vermeiden will. Da beim Bierbrauen häufig etwas daneben ging, was man sich aufgrund des damaligen Wissensstandes nicht immer erklären konnte, suchte man in vielen Fällen den Schuldigen im Bereich des Mystischen. Viele wundersame Kräutlein und kultische Gegenstände wurden auch noch im späteren Mittelalter um den Sudkessel herumgelegt, um böse Geister fernzuhalten. Dieser Aberglaube ging soweit, fehlgeschlagene Brauversuche sogenannten "Brauhexen" oder "Bierhexen" zuzuschreiben. Die letzte Verbrennung einer "Brauhexe" erfolgte im Jahre 1591. Dies kann man wohl als den "dunkelsten" Aspekt der Bierherstellung ansehen. Das Ende des Aberglaubens kam mit der Durchsetzung des Hopfens. Auch wenn die Verwendung des Hopfens erst einmal verboten wurde, setzte sich dessen Verwendung auf Dauer durch. Zum einen wurde das Bier dadurch haltbarer und der Brauprozess stabiler. Es ging weniger schief und es mussten weniger "Schuldige" gesucht werden. Mit der Verwendung des Hopfens erhielt das Bier seinen "klaren Charakter". Das damalige Bier glich somit fast den uns heute bekannten Biersorten, sowohl geschmacklich als auch auf das Aussehen bezogen. Um nun eine gewisse Beständigkeit zu erzielen, und die Qualität der Brauereiergebnisse konstant zu halten, erließ 1516 der damalige bayrische Herzog Wilhelm IV. das sogenannte Reinheitsgebot. Durch diesen Erlass wurde erstmalig festgelegt, dass zur Herstellung von Bier nur Gerste, Hopfen und reines Wasser benutzt werden durfte. Die Verwendung von Hefe war zur damaligen Zeit noch nicht bekannt und das Gelingen des Gärungsprozesses blieb dem Zufall überlassen, da man ohne es zu wissen, auf Hefepartikel in der Luft angewiesen war.